Menü > Menschen > Feuerwehr zurück  
 

 

 

 

 

 

Von Ernst Lieske+ und Wilhelm Beyersdorff+
ehemaligen Brandmeistern der Neudammer Wehr

Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr!

Anfänge zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr gab es bereits in den Jahren 1864-1866. Doch erst am 12.September 1872 wurde im Männer-Turnverein die Errichtung einer Turner-Feuerwehr besprochen. Zwei Monate später, am 4.November 1872, wurden die Pläne konkretisiert und in der Sitzung am 9.Dezember 1872 bekam der Schriftwart den Auftrag, Ausrüstungsutensilien für eine zukünftige Feuerwehr-Mannschaft anzuschaffen. Schon in der Generalversammlung am 23.Dezember 1873 konnte die freudig aufgenommene Mitteilung gemacht werden, daß die hiesige Kreditgesellschaft der Feuerwehr 100 Thaler zur Anschaffung von Gerätschaften zur Verfügung gestellt habe. Ferner hatte auch der Magistrat den Gründungstatuten für eine Feuerwehr zugestimmt.

In ihrem Anfangsstadium war sie allerdings mit dem Männerturnverein unter dem Namen "Neudammer Männerturn- und Feuerwehr-Verein" verbunden. Erster Führer der Wehr soll der Gastwirt Gustav Junge gewesen sein. Ihr Vereinslokal war das spätere Gesellschaftshaus von Rudolf Kügler. Hier wurde im Saal geturnt und wurden die Veranstaltungen abgehalten. Das Feuerwehrdepot befand sich hinter dem Rathaus am Scharrenplatz, wo auch anfangs kleine Zugübungen stattfanden. Für größere Übungen stand der Hof der Mädchenschule in der Seestraße zur Verfügung; hier war auch ein Steigerturm vorhanden. Die erste Ausrüstung der Feuerwehr war recht dürftig. Sie bestand aus einer abprotzbaren Handdruckspritze mit Schlauchwagen (man nannte sie die Turnerspritze), einer fahrbaren ausziehbaren Leiter, einem Sprungtuch, diversen Hakenleitern und sonstigem Kleingerät. Alles dies, auch die Löscheimer, waren auf dem Wagen und der Leiter untergebracht. Sämtliche Feuerlöschgeräte wurden von den Mannschaften gezogen. - Das Jahr 1908 brachte die Trennung vom Männerturnverein und die Gründung eines selbständigen Feuerwehrturnvereins. Mit der schnellen Aufwärtsentwicklung der Neudammer Industrie mußte auch die Wehr Schritt halten. Die Großdruckerei Julius Neumann gründete in Rücksicht auf den Umfang ihres Betriebes unter dem ältesten Sohn von J.Neumann, Johannes Neumann, eine eigene Fabrikwehr. Diese wurde unter dem Oberführer Adolf Gronmeier 1904 der Feiwilligen Feuerwehr als vierter Löschzug angegliedert. Bald darauf wurde ein Hydrophor-Zubringer (Wasser-Zubringer) für die Wehr angeschafft und zwar für Pferde-Bespannung. Es folgte eine weitere Spritze (Fa. Koebe, Luckenwalde), gleichfalls für Pferdezug und zur Aufnahme der Bedienungsmannschaften eingerichtet. Ein Schlauchwagen war an das Gerät angekoppelt.

In späteren Jahren wurden dann eine Pflichtfeuerwehr vom Magistrat der Stadt ins Leben gerufen. Jeder wehrfähige Einwohner, wenn er nicht Mitglied der Freiwilligen Wehr war, mußte bei Bränden und zu den Übungen erscheinen. Diese Pflichtwehr trug eine Armbinde, war registriert und auch in Züge eingeteilt. Sie mußte bei großen Bränden, über deren Fehlen sich die Stadt Neudamm nicht zu beklagen hatte, als Druckmannschaften für die Handdruckspritzen bereitstehen, damit die Feuerwehrmänner für den eigentlichen Löschdienst freiblieben. Die Pflichtfeuerwehr unterstand in erster Linie der Polizei. Allmählich reichte das Feuerwehrdepot hinter dem Rathaus nicht mehr aus. 1902 wurde nun in der Wilhelmstraße eine neue Knabenschule gebaut. Da das zugehörige Gelände ziemlich umfangreich war, wurde gleichzeitig auf ihm ein modernes Feuerwehrdepot mit Steigerübungsturm errichtet. Es war ein roter Klinkerbau mit Schlauchreinigungs- und Trocken-Anlage, da das Gebäude mit Zentralheizung versehen war. - Nun begann die Motorisierung der Wehr. Die Feuerwehr bekam eine 1500-Liter-Motorspritze als Protze von der Feuerlöschgerätefabrik Ewald in Küstrin-Neustadt (Landsberger-Straße 93). Jetzt war die Sache bei Bränden schon leichter. Aber noch fehlten die Transportautos. Ein alter schwerer Wagen wurde in Berlin gekauft. Die Firma Wilhelm Beyersdorff, Neudamm, baute ihn zum Feuerwehrfahrzeug um.

Nach dem Oberführer Kamerad Junge wurden Carl Buchholz, dann der Steinsetzermeister Karl Collberg (genannt Tacken) Oberführer der Wehr. Nach dessen Ableben übernahm der Kaufmann Carl Ottow die Leitung. Unter seiner Führung nahm die Freiwillige Feuerwehr einen großen Aufschwung, zumal Carl Ottow als Ratsherr manches Anliegen der Wehr persönlich im Magistrat vertreten konnte. Bald wurde er durch amtliche Verfügung zum Branddirektor ernannt. Zu dieser Zeit war Dr. Erich Buder Bürgermeister der Stadt.

Da die Anzahl der Löschgeräte immer größer wurde und ihre ordnungsmäßige Wartung nur von einem Fachmann wahrgenommen werden konnte, wurde der Schlossermeister Wilhelm Beyersdorff sen. zum ersten Gerätemeister bestellt. Inzwischen war von der Firma Ewald Küstrin eine moderne mechanische Schiebeleiter mit einer Auszugslänge von ca. 20m angeschafft worden. Auch wurde von derselben Firma der alte Hydrophor-Zubringer durch Umbau modernisiert. - Die Freiwillige Feuerwehr des Nachbardorfes Nabern schloß sich damals unter ihrem Führer Guse der Neudammer Wehr als 5. Zug an.

1925 übernahm Bürgermeister Werner Kurzinna die Leitung der Neudammer Stadtverwaltung. Auch er brachte der Freiwilligen Feuerwehr großes Interesse entgegen. Es wurde ein neuer moderner Löschzug mit einer 1500-Liter-Motorspritze in Dienst gestellt. Die Wehr war nunmehr mit zwei eigenen Motorspritzen zu je 1500-Litern und zwei Motorspritzen zu je 1000 Litern der Wehr Nabern und der Fabrikwehr Neumann einsatzfähig. Nach wie vor wurde daran gearbeitet, die Löschgeräte auf den neuesten Stand zu bringen. Auch wurde jetzt eine Alarmanlage auf dem Übungsturm Schulhof Wilhelmstraße eingebaut, ferner eine solche auf dem Dach des Rathauses. Im Ernstfalle wurde die Alarmierung durch die Dampfsirenen der Neudammer Fabriken unterstützt. Das größte Verdienst um die Verbesserung des Feuerschutzes erwarb sich Bürgermeister Kurzinna durch den Bau einer städtischen Wasserleitung mit einem ausgedehnten Netz von Hydranten. Die Tätigkeit der Wehr wurde hierdurch ganz erheblich erleichtert. Anfang

1933 setzte sich das Kommando der Freiwilligen Feuerwehr wie folgt zusammen:

Carl Ottow, Branddirektor,
Franz Matz, Brandmeister,
Richard Preuße, Brandmeister,
Fritz Busch, Brandmeister,
Ernst Lieske, Brandmeister,
Wilhelm Beyersdorff jun., Brand- und Gerätemeister,
Wilhelm Beyersdorff sen., Brand- und Gerätemeister,
Paul Berger, Brand- und Gerätemeister,
Fritz Schuster, Brandmeister.
Fabrikwehr Firma Julius Neumann:
Franz Müller, Wehrführer,
Franz Schmidt, Führer.

Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Neudammer Freiwillige Feuerwehr, die zu den größten im Kreis Königsberg N/M zählte, hinsichtlich der Ausstattung mit Löschgeräten, der Ausbildung der Mannschaften und ihrer Führung mit Recht als mustergültig bezeichnet werden. Vorbildlich wie ihre Leistungsfähigkeit war auch der echt-kameradschaftliche Geist, der bei der Brandbekämpfung wie bei geselligen Veranstaltungen zu Tage trat. Die Bedeutung eines selbstlosen Zusammenschlusses von Bürgern aller Einwohnerschichten zum Wohl der Stadtgemeinschaft kam in dieser Organisation aufs glücklichste zum Ausdruck. Mit der Aneignung der Staatsgewalt durch die NSDAP änderte sich, wie überall und auf allen Gebieten, die Situation auch bei unserer Wehr erheblich. Elemente, die den Nachweis ihrer Eignung im wesentlichen durch ein frühzeitig erworbenes Parteibuch als erbracht ansahen, nahmen entscheidenden Einfluß auf das Leben der Neudammer Freiwilligen Feuerwehr. Alle Mitglieder, die den neuen Machthabern nicht einwandfrei im Sinne ihres Parteiprogramms erschienen, wurden, auch wenn sie in der Wehr noch so tüchtig waren, abgebaut oder es wurde ihnen der Dienst durch die neue Führung verleidet. So vollzog sich ein grundlegender Wandel, der mit seinem politischen Zwang den auf Freiwilligkeit und Selbstverwaltung beruhenden inneren Zusammenhalt der Wehr zerstörte. Mit dem Anbruch dieser Periode soll der Bericht, den die Entwicklung der Neudammer Freiwilligen Feuerwehr durch rund siebzig Jahre aufzeigt, abschließen.

Dieser Bericht wurde auszugsweise der "Heimatzeitung des Kreises Königsberg N/M" Nr.11/1965 entnommen.